Berlin meine Verheißung
Schon seit mehreren Jahren wollte ich nach Berlin ziehen, und nun, zum Diplom, hat es endlich geklappt. Diese verrückte, früher so gespaltene Stadt, die doch langsam zusammenwächst – eine konkrete Utopie. Spiegelbild des krisengeschüttelten Menschen, der (wieder) lernen muss, ein Ganzer zu werden. Vielleicht sogar Musterbild für eine globale Gesellschaft, die das Ideal einer vereinten Menschheit noch nicht aufgegeben hat. Ausgehend von meiner WG in Neukölln und einem kleinen Atelier um die Ecke erkunde ich die Umgebung, sammle Eindrücke, lasse mich anregen von alltäglichen Beobachtungen und meinen Gedanken über das Wesen Berlins und des großstädtischen Lebens, begegne ich Menschen unterschiedlichster Herkunft, schließe neue Freundschaften, besuche Verwandte, die hier schon länger leben und treffe Bekannte aus der Bielefelder Provinz.
Mitte
Öl und Acryl auf Leinwand
150×120 cm
Mitte, Titte, Sack, Zack! Oranienburger Straße. Hier hat man einen schönen Blick auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt, das Tacheles im Rücken, vor einem die Neue Synagoge und der Alex, der Ende der 60er Jahre unter der Führung der ehemaligen DDR gebaut wurde. Die Bordsteinschwalben bilden den Höhepunkt des Abends.
Karl-Marx-Straße I
Öl und Acryl auf Leinwand
60×50 cm
Das war das erste, was mir bei der Einfahrt nach Neukölln von der A 100 durch die Karl-Marx-Straße ins Auge stach: all die bunt-billigen Ladenschilder und natürlich die vielen Menschen aus aller Herren Länder. […]
Karl-Marx-Straße II
Öl und Acryl auf Leinwand
60×50 cm
[…] Coiffeur Gülüm, Marketler Frischfleisch, Megasnack, Eser Kuyumcu. Frauen mit Kopftuch, Eckensteher, Kinderwagen schiebende Mütter, halbstarke Jugendliche, religiöse Bartträger. Alles ein wenig verwahrlost und trostlos im Winter, als ich hierher zog, am 10. Januar 2009. […]
Karl-Marx-Straße III
Öl und Acryl auf Leinwand
60×50 cm
[…] Da kann auch all die Farbenvielfalt nicht drüber hinwegtäuschen, dass in Neukölln weniger das Geld, als vielmehr der Hundekot auf der Straße liegt. Aber, wie viele immer wieder beschwörend verkünden: „Neukölln kommt.“
Schillerpromenade
Öl und Acryl auf Leinwand
100×115 cm
Im Ruhrgebiet zum Beispiel sieht man so wohl nur die Rentner. Hier in Neukölln sind die Hunde Könige.
Café Dritter Raum
Öl und Acryl auf Leinwand
150×195
Das Café „Dritter Raum“ ist mein Wohnzimmer im Richardkiez, in dessen unmittelbarer Nähe ich wohne. Weil ich mich hier so gerne aufhalte, meinen Kaffee trinke und mit Rolf, dem Besitzer, und anderen Gästen quatsche, ein wenig Zeichne oder einfach Zeitung lese, habe ich hier eine kleine Ausstellung zu den „48 Stunden Neukölln“, einem großen Kunst- und Kulturfest Ende Juni. Ich stelle Bilder aus, die ich mit Rolfs Freundin von Bielefeld nach Berlin in einer großen Umzugsaktion gebracht habe. „Nirvanadada“ – Bilder aus dem Nirgendwo im Irgendwo.
Großstadtlimbo
Öl und Acryl auf Leinwand
105×85 cm
Zum Tanz in den Mai im RAW-Tempel in Friedrichshain mit Balkan-Beats und Latino-Hip Hop. Berlin ist auch eine Party-Stadt, die Hochburg für elektronische Sounds Weltweit, auch nach den Zeiten der Love-Parade. Ich bin zwar nicht gerade der Partykönig, dessen Hauptbeschäftigung das „Clubbing“ ist, aber gelegentlich zieht es mich auch hinaus in die Nacht, mich zu den Rhythmen Ost-Westlicher Klangbasteleien zu bewegen.
Das Gespenst vom Frankfurter Tor
Öl und Acryl auf Leinwand
105×130 cm
„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.“ Ein faszinierender Ort ist die Karl-Marx-Allee in Friedrichshain, die vom Frankfurter Tor bis zum Alex führt. Hier wurde nach dem Ende des 2. Weltkrieges die damalige Stalin-Allee errichtet. Im Stil des Zuckerbäcker-
klassizismus entstand, „auferstanden aus Ruinen“, eine imposante Prachtstraße, die mich heute, 60 Jahre später, in eine vergangene Zeit versetzt. Ein Geruch von russischer Weite und sowjetischem Größenwahn mitten in Berlin. Eingeschüchtert steht man vor den Gebäuden entlang dieser langen Straße, aber hässlich will mir diese Architektur nicht erscheinen. Etwas Furcht einflößend, dennoch beeindruckend: der Kommunismus war das Experiment einer Alternative zum Kapitalismus, das zu Beginn noch begeisterte. Spätestens mit dem Bau der Mauer hat dieses System sich selbst verraten. Fast Schade.
Schlesisches Tor
Öl und Acryl auf Leinwand
100×100 cm
Die legendäre Linie 1, Schlesisches Tor, Kreuzberg. Früher, zu Zeiten der Teilung, war dies die Endhaltestelle vor dem Ostsektor der DDR, die Verbindung zur Warschauer Straße auf der anderen Seite der Spree war unterbrochen. Jetzt ist Sommer, 12 Uhr Mittags, ein kühles Bier in der Hand des Präkariers, der angesäuselt am Bahnsteig auf die U-Bahn wartet. Die Sonne scheint, kein Tag für große Taten.
Das Fenster zum Hof
Acryl auf Leinwand
70×60 cm
Kindergeschrei, Vogelzwitschern, Krankenwagensirenengeheul.
Das Fenster weit geöffnet, seit drei Monaten nun in diesem Zimmer. Frühling.
Der vertraute Klang irgendeiner Kindheit, Jugend, in anderen Städten, anderen Ländern.
Als wäre es immer schon hier gewesen.
Krumme Lanke Arkadien
Öl und Acryl auf Leinwand
110×130
Ich male eine Poussinade auf Berlin, denn hier ist mein Arkadien. An der Krummen Lanke kann man wunderbar baden im Sommer. In Berlin beginnt das Paradies eines messianischen Zeitalters, hier nimmt das Himmelreich auf Erden seinen Anfang: Venus und Mars in friedlicher Eintracht. Wolf und Lamm gemeinsam auf der Weide. Um dem Eindruck zu entgehen, dass ich mich vollkommen einer romantischen Verklärung der Gegenwart hingegeben hätte, ist dieses Bild im Stile eines „Fresco non finito“ gehalten.